Konfrontation mit einer unbequemen Realität.
By Kenneth V. Lanning *
(CAC Consultants)
(FBI, Retired)
»…verwirrt es uns, die Opfer in kinderpornografischen
Aufnahmen kichern oder lachen zu sehen.«
»In dieser Diskussion wird der Ausdruck „willig“ (compliant) gebraucht, um jene Kinder zu beschreiben, die bei ihrer sexuellen Viktimisierung kooperieren und ihr „zustimmen“. Weil Kinder nicht legal dem Sex mit Erwachsenen zustimmen können, sollte diese compliance in keiner Weise etwas an der Tatsache ändern, dass sie Opfer schwerer Verbrechen sind. Einige haben Ausdrücke wie statutorisch, konsensual, willentlich, kooperierend, oder partizipativ vorgeschlagen, um sich auf solche Opfer zu beziehen. Jeder dieser Begriffe mag vor- und nachteilige Wahrnehmungen nach sich ziehen. Ich wähle den Begriff compliant, [hier übersetzt mit „willig“, in Frage kämen auch: gefällig, folgsam, fügsam, nachgiebig, willfährig, partizipativ; monteb.] weil ich mir keinen besseren vorstellen kann. Welchen Begriff man wählt ist jedoch nicht so wichtig, wie die Realität der Verhaltensdynamik zu erkennen und zu verstehen, um die es geht. Im Interesse der kindlichen Opfer und der professionellen Intervenierenden ist es wichtig, die möglichen Gründe und die Komplexität und Bedeutung dieser Compliance aufzuzeigen.«

»Die sexuelle Viktimisierung von Kindern beinhaltet verschiedene Dynamiken. Sie kann von einem Eins-zu-eins inner-familialen Missbrauch zu ausser-familialen Sex Ringen mit Mehrfach-Tätern/Mehrfach-Opfern reichen, und von der Entführung von Kleinkindern zur Prostitution von Teenagern. Das oft vergessene Teil im Puzzle ist der Missbrauch durch einen Bekannten. Dies scheint für die Gesellschaft die schwierigste Erscheinungsform dieses Problems zu sein und sogar Professionelle herauszufordern. Die Leute scheinen eher bereit, einen finsteren Fremden aus einem anderen Ort oder einen Stiefvater mit einem anderen sozioökonomischen Hintergrund als Missbraucher zu akzeptieren, als einen Geistlichen, einen Polizeioffizier, Kinderarzt, Lehrer, oder einen freiwilligen Helfer, der Zugang zu Kindern hat. Die Gesellschaft scheint ein Problem zu haben, mit irgend einem Missbrauchsfall umzugehen, bei dem der erwachsene Täter nicht komplett „böse“ oder das Kind nicht total „gut“ ist. Die Idee scheint verwirrend, dass kindliche Opfer sich ganz einfach wie menschliche Wesen verhalten und auf die Aufmerksamkeit und Zuwendung des Täters reagieren könnten, indem sie freiwillig und wiederholt zum Haus des Täters zurückkehren Zum Beispiel verwirrt es uns, die Opfer in kinderpornografischen Aufnahmen kichern oder lachen zu sehen.«
Fallstricke beim Verstehen des Kindes als williges Opfer
[…]
»Wir müssen verstehen, dass die Täter oft „nette Kerle“ sind, die die Kinder typischerweise ausnützen, indem sie sich mit ihnen anfreunden und sie verführen. Ebenso wichtig ist es, zu verstehen, dass die kindlichen Opfer menschliche Wesen mit Bedürfnissen, Wünschen und Begehrlichkeiten sind. Kindliche Opfer können nicht auf einem idealistischen und übermenschlichen Verhaltensniveau gesehen werden. Ihre häufige Kooperation bei ihrer Viktimisierung muss als verständliche menschliche Eigenschaft gesehen werden, welche geringe oder keine juristische Bedeutung haben sollte.«
»In der Theorie erkennt das Gesetz die entwicklungsbedingten Grenzen des Kindes und gewährt ihm speziellen Schutz. Jedoch der immer wiederkehrende Gebrauch von Ausdrücken wie Vergewaltigung, sexuelle Gewalt, Überfall, Angriff, Sexualverbrecher und ungewollte sexuelle Aktivität, wenn über die sexuelle Ausbeutung von Kinder diskutiert oder nachgeforscht wird, lässt in vielen Köpfen die Meinung entstehen, dass alle kindlichen Opfer sexuellen Avancen durch Erwachsene widerstehen würden und dann übermannt würden durch Zwang, Tricks, Bedrohungen, Waffen oder körperliche Gewalt. Obwohl Fälle, die solche Elemente enthalten, vorkommen, kann das Fehlen von Konsens schlicht darin bestehen, dass das Kind ihn nicht legal geben kann. Ob das Kind Widerstand leistete oder nicht, nein sagte, und übermannt wurde, sind deshalb keine nötigen Elemente, wenn es darum geht, zu bestimmen, ob ein Verbrechen vorliegt. Dies zu verstehen ist vor allem für die Öffentlichkeit schwierig, sowie auch für Professionelle (z.B. Ärzte, Therapeuten), die kein spezielles Training in Strafgesetz haben und sich nicht auf strickte legale Analyse abstützen. Die traurige Realität ist jedoch trotzdem, dass dieses Opferverhalten Bedeutung hat in der Wahrnehmung der Gesellschaft und in der „realen Welt“ des Kriminal-Justizsystems.«

»Der gesellschaftliche Mangel an Verständnis und Akzeptanz der Realität des willigen Kindes resultiert oft im Folgenden:
- 1. Opfer, die sich nicht mitteilen und sogar ihre sexuelle Viktimisierung leugnen.
2. Unvollständige, inakkurate, verzerrte, sogar widersprüchliche Enthüllung durch das Opfer, wenn es dazu kommt.
3. Lebenslange Scham des Opfers, Verlegenheit und Schuld [-gefühle; mont.].
4. Täter, die mehrere Opfer über eine längere Periode nebeneinander haben können.
5. Ineffektive Präventionsprogramme, welche nicht nur keine Opfer verhindern, sondern die ersten vier Probleme noch schlimmer machen.«
Die Frage des Zustimmungsalters
» In den USA scheinen die Gesellschaft, die Kriminalermittler und die Staatsanwälte eine Präferenz für Fälle zu haben, in denen das Opfer, Erwachsener oder Kind, klar nicht konsentiert. Unter den Fällen mit fehlendem Konsens werden am wenigsten diejenigen bevorzugt, bei denen das Opfer wegen selbst herbeigeführten Gebrauchs von Drogen oder Alkohol nicht zustimmen konnte. Fälle, in denen das Opfer einfach verbal bedroht wurde, kommen an nächster Stelle, gefolgt von Fällen, in denen eine Waffe eingesetzt wurde. Wenn es um die Leichtigkeit der Beweisführung geht, so sind die am meisten bevorzugten jene, wo das Opfer eine sichtbare Verletzung aufweist oder, traurig zu sagen, tot ist.«
»Viele willige Kinder mögen unzutreffenderweise sagen, dass sie am Schlafen waren, oder betrunken, unter Drogen, oder entführt – teils um diesen Kriterien des fehlenden Konsens zu genügen, teils um Verlegenheit zu vermeiden.«
» Die Gesellschaft scheint lieber zu glauben, dass
Kinder rein und unschuldig seien.«
»Fälle, in denen das kindliche Opfer nicht gezwungen wird und kooperiert oder „zustimmt“, sind verwirrender und schwieriger für die Gesellschaft und die Ermittler. Wenn solche Opfer Erwachsene wären, läge da gar kein Verbrechen vor. Obwohl „Konsens“ in Kindesopfer-Fällen als irrelevant gilt, bestehen auch hier unausgesprochene Präferenzen. Die am meisten bevorzugten sind die „Konsens“-Fälle, bei denen das Opfer erklären kann, dass die Kooperation einer irgendwie allgemeinen Furcht oder Ignoranz über die Natur dieser Aktivitäten zuzuschreiben war. Das heisst: das Kind hatte Angst zu „reden“, oder es verstand nicht, was geschah. Die nächst präferierten Fälle sind solche, in denen das Kind ausgetrickst, betrogen oder indoktriniert wurde. Wenn der Täter eine Autoritätsfigur war, dann ist dieses „brainwashing“-Konzept noch attraktiver. Die nächsten auf dieser Präferenz-Skala sind die Fàlle, wo das Kind willens war, „Sex“ gegen Aufmerksamkeit, Zuwendung und Romanze zu handeln. Am wenigsten akzeptabel sind Fälle, wo das Kind willentlich Sex gegen materielle Belohnung (z.B. Kleider, Schuhe, Ausflüge) oder Geld (das heisst: Prostitution) handelte. Fast total inakzeptabel sind Fälle, in denen das Kind sich in sexuellen Aktivitäten engagierte, weil es den Sex genoss. Tatsächlich ist es schon fast ein Sakrileg, eine solche Möglichkeit überhaupt zu erwähnen.«
»Diese gesellschaftlichen und justiziellen Präferenzen überwiegen trotz der Tatsache, dass fast alle menschlichen Wesen Sex wegen Aufmerksamkeit, Zuwendung, Privilegien, Geschenken, Geld oder Begünstigungen handeln. Obwohl jeder dieser Gründe für Willigkeit möglich ist, behaupten viele verführte Kinder unzutreffend, dass sie Angst gehabt hätten, unwissend gewesen seien oder indoktriniert worden seien, teils um diesen sozialen Präferenzen zu entsprechen, teils um Verlegenheit zu umgehen. Manche Opfer sind sehr besorgt wegen einer Aufdeckung und verneinen deshalb eher, dass sie sich in Sex gegen Geld, in homosexuelle Akte, in denen sie der aktive Teilnehmer waren, oder in Sex mit anderen Kindern engagiert haben.«
»Jedes der obigen Szenarien ist in verschiedenen Kombinationen mit anderen möglich. Ein Kind kann bei einigen sexuellen Akten kooperieren, und in anderen klar bedroht oder gezwungen werden. Alle sind potenzielle Verbrechen. Der Täter, das Opfer, die Gesellschaft oder der professionelle Intervenierende mögen verschieden wahrnehmen, was Compliance ausmacht. Ermittler und Staatsanwälte müssen immer versuchen zu bestimmen, was wirklich geschah, und nicht ihre vorgefassten Überzeugungen über sexuelle Viktimisierung von Kindern bestätigen.«
»Ein Junge in der Adoleszenz war bei einem Fernseh-Talk über sexuelle Viktimisierung von Kindersportlern durch ihre erwachsenen Coaches vom Moderator gefragt worden, warum der Missbrauch so lange anhielt, ohne dass er jemandem davon erzählte. Der Junge, der gewaltlos von seinem Coach verführt worden war, antwortete, dass er Angst vor seinem Coach gehabt habe. Obwohl offensichtlich im Widerspruch zu den Fakten akzeptierte jedermann bereitwillig und applaudierte zu seiner Antwort. Wie wäre die Reaktion des TV Gastgebers und des Publikums ausgefallen, wenn der Junge plausiblere Antworten geliefert hätte, wie: dass er nichts gesagt habe, weil er dank Sex mit dem Coach zu mehr Spielen kam, oder weil er den Sex genoss? Solche Antworten sind vernünftig und vollkommen verständlich und sollten nichts an der Tatsache ändern, dass der Junge das Opfer eines Verbrechens war. Vielleicht war es die Vorwegnahme der gesellschaftlichen Reaktion und nicht irgend eine Drohung durch den Missbraucher, was den Jungen am meisten davor „abschreckte“, es früher zu sagen.«
»Die meisten Fälle von Ausbeutung durch Bekannte, inklusive solcher über Computer, beinhalten diese verführten oder willigen Opfer. Auch wenn die [im jeweiligen Fall] anzuwendenden Gesetze und die Prioritäten variieren können, müssen Personen, die sexuelle Ausbeutungsfälle untersuchen, von der Prämisse ausgehen, dass die sexuelle Aktivität nicht der Fehler des Opfers ist [‚that the sexual activity is not the fault of the victim‘ – wäre vllt besser übersetzt mit: „dass der Fehler nicht beim Kind liegt“; Fehler von Rechtsverfolgungspersonen strafrechtlich/moralisch verstanden; montebas.], auch wenn das Kind:
- nicht „nein“ gesagt hat.
- nicht gekämpft hat,
- aktiv kooperiert hat,
- den Kontakt eingeleitet hat,
- nichts mitgeteilt hat,
- Geschenke oder Geld akzeptiert hat,
- die sexuelle Aktivität genoss. «
»Ermittler und Staatsanwälte müssen sich auch daran erinnern, dass viele Kinder, vor allem solche, die durch den Verführungsprozess viktimisiert wurden, oft:
- mit Sex handeln für Aufmerksamkeit, Zuwendung, Geschenke,
- über ihre Sexualität und Gefühle verwirrt sind
- verlegen und von Schuldgefühlen geplagt sind,
- ihre Viktimisierung in sozial akzeptabler Weise beschreiben,
- ihre Verantwortung minimisieren und die des Täters maximieren, oder ihre Viktimisierung leugnen oder übertreiben. «
»All das bedeutet nicht, dass das Kind kein Opfer ist. Was es bedeutet ist, dass Kinder menschliche Wesen mit menschlichen Bedürfnissen sind. Die Gesellschaft scheint jedoch lieber zu glauben, dass Kinder rein und unschuldig seien. Konferenzen zum Kindesmissbrauch haben oft Untertitel wie „Verrat an der Unschuld.“… Die nationale Initiative des FBI über Ausbeutung von Kindern durch Computer nennt sich „Innocent Images.“ Diese Vorliebe für das Unschuldsideal dauert trotz des Tatsache an, dass jeder, der Zeit mit Kindern verbracht hat, auch mit Säuglingen und Kleinkindern, weiss, dass sie schnell und notwendigerweise lernen, ihre Umwelt zu manipulieren, um zu bekommen, was sie wollen. Viele Kinder haben nur eine vage und ungenaue Vorstellung von „Sex.“ Sie werden durch schlaue Verführer manipuliert und verstehen oder erkennen gewöhnlich nicht voll, in was sie hinein gerieten. Sogar wenn sie anscheinend verstehen, so muss das Gesetz sie dennoch vor erwachsenen Sexualpartnern schützen. Dieser Schutz basiert auf der Unreife von Kindern, nicht auf ihrer „Unschuld.“ Konsens sollte keine Angelegenheit mit Kindern sein. Sympathie für Opfer ist jedoch umgekehrt proporzional zu ihrem Alter und ihrem sexuellen Entwicklungsstand.«
[…]
Die Täter-Opfer-Bindung
»Die erfolgreiche Ermittlung und Verfolgung von Fällen sexueller Ausbeutung von Kindern hängt oft von der Fähigkeit ab, zwei Fragen zu beantworten:«
- Warum hat sich das Opfer niemandem anvertraut (voll oder teilweise), als es geschah?
- Warum öffnet sich das Opfer jetzt (voll oder teilweise)?
»Für objektive Fakten-Ermittler sollten die Antworten auf diese Fragen so sein, wie die Evidenz es unterstützt, und nicht so, wie die Gesellschaft es bevorzugt. Weil die Opfer von Bekannten-Ausbeutung meistens sorgfältig verführt wurden und oft nicht realisieren, dass sie verführt wurden oder glauben, dass sie Opfer sind, kehren sie wiederholt und freiwillig zum Täter zurück. Gesellschaft und das Strafjustizwesen haben es schwer, dies zu verstehen. Wenn ein Nachbar, Lehrer, Kleriker einen Jungen missbraucht, warum „erlaubt“ es dieser, weiterzufahren, und berichtet es nicht sofort? Höchst wahrscheinlich, weil er anfänglich nicht realisiert oder glaubt, dass er ein Opfer ist. Einige Opfer sind ganz einfach willens, mit Sex zu handeln für Aufmerksamkeit, Zuwendung und Geschenke, und glauben nicht, dass sie Opfer sind. Der Sex selber mag sogar angenehm sein, und der Täter mag sie besser behandeln, als irgend jemand sie je behandelt hat. Aber sie mögen anfangen zu realisieren, dass sie Opfer sind, wenn der Täter die Beziehung beendet. Wenn sie erkennen, dass alle Aufmerksamkeit, Zuneigung und Geschenke nur Teil eines Plans waren, sie zu gebrauchen und auszubeuten.«
»Viele dieser Opfer enthüllen ihre Viktimisierung nie. Jüngere Kinder mögen glauben, dass sie etwas „falsches“ oder „schlechtes“ taten, und fürchten sich davor, in Probleme zu geraten. Ältere Kinder mögen eher beschämt und verlegen sein. Es kommt nicht nur vor, dass Opfer sich nicht offenbaren, sondern sie streiten es oft vehement ab, wenn sie damit konfrontiert werden. In einem Fall haben mehrere Jungen den Zeugenstand betreten und den hohen moralischen Charakter des angeklagten Missbrauchers bestätigt. Als der angeklagte Missbraucher sein Haltung änderte und sich schuldig bekannte, gab er zu, dass die Jungen, die zu seinen Gunsten Zeugenaussagen gemacht hatten, ebenfalls unter den Opfern waren. In meiner Erfahrung sind einige der häufigeren Gründe, warum willige Opfer sich nicht offenbaren:«
- Das Stigma der Homosexualität,
- Mangel an gesellschaftlichen Verständnis
- Unterlassung es zu sagen, als sie es hätten sagen sollen,
- Vorhandensein positiver Gefühle für den Täter,
- Verlegenheit oder Furcht wegen ihrer Viktimisierung,
- Der Glaube, dass sie nicht wirklich Opfer seien.
»Weil die meisten Täter männlich sind, ist das Stigma der Homosexualität ein ernsthaftes Problem für männliche Opfer, vor allem wenn keine Drohungen oder Gewalt dem Sex voraus gingen. Obwohl es aus einem Jungen nicht unbedingt einen Homosexuellen macht, wenn er von einem männlichen Kindesmissbraucher verführt wurde, verstehen die Opfer dies nicht. Wenn ein Opfer sich öffnet, riskiert es bedeutenden Spott von den Gleichaltrigen und mangelnde Anerkennung durch die Familie.«
»Manchmal teilen sie sich deswegen mit, weil der Missbrauch
aufgehört hat, und nicht, damit er aufhört.«
»Diese verführten oder willigen Kinderopfer offenbaren sich manchmal, oft weil die sexuelle Aktivität aufgedeckt wurde (z.B. durch Überführung des Täters, gefundene Kinderpornografie, mitgehörte Konversation, lokalisierte Computeraufzeichnungen), oder weil der Verdacht bestand (z.B. durch Aussagen anderer Opfer, Verbindung zu bekanntem Sexualtäter, proaktiver Ermittlung), worauf ein Intervenierender sie konfrontiert. Andere anvertrauen sich, weil der Täter sie falsch beurteilte, zu aggressiv wurde mit ihnen, oder ein jüngeres Geschwister oder eine nahe Freundin verführte. Willige Opfer melden sich manchmal als Zeuge und berichten, weil sie über den Täter zornig sind, da er sie fallen gelassen hat. Manchmal vertrauen sie sich deswegen an, weil der Missbrauch aufgehört hat, und nicht, damit er aufhört. Manche willige Opfer offenbaren sich gelegentlich wegen bedeutender Veränderungen später in ihrem Leben, wie zum Beispiel Heirat oder die Geburt eines Kindes.«
»Kommt dazu, dass einige willige Opfer nicht wollen, dass der Täter rechtlich verfolgt oder ins Gefängnis geschickt wird. Wenn es um den Urteilsspruch geht, mögen sie sogar einen Brief an den Richter schreiben, worin sie ihren „Konsens“ zu den sexuellen Aktivitäten anzeigen, und ihre Liebe zum Angeklagten ausdrücken. Sollte ein solcher Brief dieselbe Beachtung finden wie der Brief eines Opfers, welches eine harte Strafe verlangt? Kinder lügen nie? Die vorhandene Evidenz lässt vermuten, dass Kinder selten über sexuelle Viktimisierung lügen, wenn man eine Lüge als eine Aussage definiert, die entschieden und boshaft beabsichtigt, zu täuschen. Wenn Kinder in diesen Fällen lügen, so mag es deswegen sein, weil Faktoren wie Scham oder Verlegenheit über die Natur der Viktimisierung die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie die sexuelle Aktivität falsch wiedergeben. Verführte Opfer lügen manchmal, um ihre Viktimisierung sozial akzeptabler zu machen, oder um einem Erwachsenen-Konzept von Viktimisierung zu entsprechen. Gelegentlich lügen Kinder, weil sie zornig sind und sich an jemandem rächen wollen. Traurigerweise lügen einige Kinder auch über sexuelle Viktimisierung, weil sie Aufmerksamkeit gewinnen wollen oder Verzeihung. Einige Kinder mögen sogar lügen, um Geld zu bekommen oder als Teil einer [Zivil-?]Rechtsklage (lawsuit). Dies kann manchmal durch Druck der Eltern beeinflusst sein. Objektive Ermittler müssen all diese Möglichkeiten in Betracht ziehen und evaluieren. Es ist jedoch äusserst wichtig zu erkennen dass, weil Kinder teilweise über ihre Viktimisierung leugnen mögen, dies nicht heisst, dass die ganze Anklage notwendigerweise eine Lüge ist und dass sie keine Opfer sind. Fälle von Ausbeutung durch Bekannte beinhalten oft eine komplexe Dynamik und zahlreiche Vorfälle, die es oft schwierig machen, zu sagen, eine Beschuldigung sei völlig richtig oder völlig falsch.«
»Ein wichtiger Teil der Evaluation und Bewertung der Beschuldigungen wegen sexuellen Kindesmissbrauchs besteht im Abwägen der Konsistenz der Vorwürfe:
- Zwischen dem, was verschiedene Opfer vorwerfen, dass es passiert sei.
- Zwischen dem was vorgeworfen wird, und wer verdächtigt wird, dies getan zu haben. «
»Wenn ein Opfer seine Viktimisierung in einer Art und Weise beschreibt, die klar wie das Verhaltensmuster gewisser Typen von Sexualtätern aussieht, dann ist die Tatsache, dass der beschuldigte Täter in dieses Muster passt, eine Bestätigung. Wenn er nicht passt, dann liegt ein Widerspruch vor, der gelöst werden muss. Zum Beispiel: Ist es konsistent, wenn ein Opfer behauptet, dass er oder sie anfänglich die Viktimisierung nicht offenlegte wegen Drohungen oder wegen Gewalt oder Todesdrohung, wenn der „nette Kerl“ von einem Täter seine Opfer offenbar mit Aufmerksamkeit und Zuwendung umworben hat? Der Widerspruch könnte entstanden sein, weil der Angeschuldigte inakkurat beschrieben wird ( z.B. verzerrte Beschreibung durch das Opfer, ungenügende Details), weil er falsch evaluiert wird (unvollständiger Hintergrund, fehlerhafte Einschätzung), oder weil er unschuldig ist. In meiner Erfahrung werden verzerrte Berichte von Opfern häufig ausgelöst oder beeinflusst durch verschiedene Intervenierende (Therapeuten, Ärzte, Eltern, Rechtsverfolger), die nicht bereit sind, die wirkliche Natur des tatsächlichen Missbrauchs von Kindern zu akzeptieren. Statt dessen beeinflussen, drücken oder führen sie die Kinder, die Viktimisierung auf eine Art zu beschreiben, welche in ihre Agenda passt oder welche im Prozess die Konsistenz und das Potenzial eines gültigen Falles zerstören muss.«
Den Verführungsprozess verstehen
»Den meisten willigen Kindern war eine Zeit lang der Hof gemacht worden, sie waren „gepflegt“ (groomed) worden durch einen Erwachsenen. In die Intervention des Falles muss ein wirkliches Verständnis dieses Prozesses eingehen. Kinderärzte zum Beispiel, oder Therapeuten, die mit ihren Patienten nur erzwungene oder ungewollte sexuelle Aktivitäten diskutieren, verpassen womöglich ein bedeutendes Feld der sexuellen Viktimisierung des Kindes. Dass ein Kind mit einem Erwachsenen Sex haben wollte heisst nicht, dass es kein Missbrauch und kein Verbrechen sei. Der Verführungsprozess beginnt gewöhnlich damit, dass der Täter ein bevorzugtes oder akzeptables Kind zum Ziel macht. Es geht weiter mit dem Sammeln von Informationen über die Interessen und Verletzlichkeiten des Kindes. Vor allem der Bekannten-Täter muss eine Methode des Zugangs zum Kind finden. Um solchen Zugang zu gewinnen, ist es wichtig, dass der Täter als „netter Kerl“ wahrgenommen wird, der sich um Kinder kümmert. Bekannten-Täter mit einer Präferenz für jüngere Kinder (jünger als 12) müssen eher auch Zeit aufwenden, um das Vertrauen der Eltern oder Betreuer des mutmasslichen Opfers zu gewinnen. Bekannten-Täter können auch die Konflikte des anvisierten Kindes mit seinen Eltern und dessen Entfremdung ihnen gegenüber anstacheln oder ausnützen. Täter können den Zugang zu den Kindern durch ein weites Spektrum von Aktivitäten (Sport, Religion, Bildung, Online Computer) gewinnen.«
» Warum bist du zum Täter zurück gegangen? «
»Der Täter muss sodann die Bedürfnisse des potenziellen Opfers mit der wirksamsten Kombination von Aufmerksamkeit, Zuwendung, Privilegien, Geschenken, Geld usw. befriedigen. Der Täter muss auch jegliche sexuellen Hemmungen, die das Kind haben mag, vermindern. Dies wird meistens mit einer Kombination verschiedener Techniken getan (Spiele, Rückenmassagen, Fotografie, Gespräche über Sex/Cybersex, Pornografie, Drogen, Alkohol, Trennung von Unterstützungssystemen, und Manipulation in Kleiderwechsel und zusammen Übernachten). Jedes Kind ist anfällig für Verführung durch Erwachsene, aber belastete Kinder, die von Autoritätsfiguren ins Visier genommen werden, scheinen einem noch grösseren Risiko ausgesetzt, verführt zu werden. Der Erfolg des Verführungsprozesses wird meistens dadurch bestimmt, wie gut sie ihre Opfer auswählen; durch ihre Fähigkeit, Bedürfnisse des Opfers zu identifizieren und zu erfüllen; davon wie viel Zeit sie haben, und wie geschickt sie sind im Knüpfen von Banden mit Kindern, und im Verführen.«
»Nachdem der Intervenierende den Verführungsprozess verstanden hat, muss er fähig sein, das Verstandene dem Opfer zu kommunizieren. Das ist der schwierige Teil. Intervenierende müssen sorgfältig sein beim Stellen von Fragen, welche ein Urteil über die Natur der Viktimisierung kommunizieren (z.B. „sag mir, ob du erschreckt warst?“ „Sag mir, ob er dich bedroht hat?“ „Ist es schwierig, solche schrecklichen Sachen zu erinnern?“). Wenn Warum-Fragen gestellt werden (z.B. „warum hast du das nicht sofort gesagt?“ „Warum hast du keinen Widerstand geleistet?“ „Warum bist du zum Täter zurück gegangen?“ „Warum lächelst du auf dieser Fotografie?“), dann muss jede Anstrengung unternommen werden, dem Kind mitzuteilen, dass jede wahrheitsgemässe Antwort akzeptabel ist, inklusive „weil ich es genossen habe.“«
»Intervenierende müssen verstehen und lernen, mit den unvollständigen und widersprüchlichen Äusserungen der verführten Opfer von Bekannten umzugehen. Die Dynamik ihrer Viktimisierung muss in Betracht gezogen werden. Jegliches Verhalten oder Behauptungen der Opfer müssen im Kontext das ganzen Prozesses verstanden und evaluiert werden. Willige Opfer sind oft verlegen und beschämt wegen ihres Verhalten und glauben richtigerweise, dass die Gesellschaft ihre Viktimisierung nicht verstehen wird. Viele jüngere kindliche Opfer sind sehr besorgt über die Antwort ihrer Eltern und beschreiben ihre Viktimisierung oft auf eine Art und Weise, von der sie glauben, dass sie ihren Eltern gefallen wird. Adoleszente Opfer sind typischerweise ebenfalls besorgt um die Reaktion ihrer gleichaltrigen Kollegen. Opfer und deren Familien von höheren sozioökonomischem Hintergrund mögen sogar noch mehr besorgt sein über die öffentliche Verlegenheit, die jeder Enthüllung folgt. Intervenierende, die ein stereotypisiertes Konzept von Kindesmissbrauchs-Opfern haben oder die das Einvernehmen junger Kinder gewohnt sind, die in ihrer Familie missbraucht werden, werden es schwer haben, Adoleszente zu interviewen, die von einem Bekannten verführt wurden. Viele dieser Kinder werden gewiefte, verstörte, oder sogar delinquente Kinder aus dysfunktionalen Heimen sein. Solchen Opfern sollte nicht blind geglaubt werden, aber sie sollten auch nicht fallen gelassen werden, weil der Angeklagte ein Pfeiler der Gemeinde ist, und sie delinquent oder gestört sind. Solche Vorwürfe sollten objektiv untersucht und evaluiert werden. Einige Opfer werden weiterfahren, ihre Viktimisierung zu leugnen, egal was der Interviewer sagt oder macht.«
»Einige Kinder leugnen sogar die Viktimisierung, die der Täter zugegeben hat oder die durch andere Evidenz klar aufgedeckt wird. Einige werden Eingeständnisse machen, aber die Qualität und Quantität ihre Akte minimisieren. Sie mögen ihr Mitmachen (compliance) minimisieren und das Involvement des Täters maximieren, indem sie behaupten, dass er sie unter Drogen gesetzt habe, sie bedroht habe, eine Waffe hatte, oder sie sogar entführt habe. Natürlich mögen einige dieser Vorwürfe zutreffen und sollten untersucht werden. Sie sind jedoch nicht typisch für Bekannten-Ausbeutungsfälle. Gewalt wird höchst wahrscheinlich eingesetzt, um die Offenlegung zu verhindern. Sadistische Täter mögen Gewalt auch während des Sex gebrauchen, aber in Fällen, welche Verführung beinhalten, ist das relativ selten.«
»Wie früher erwähnt können diese potenziellen Ungenauigkeiten in den Details der Vorwürfe der verführten Opfer einige der Widersprüche zwischen dem vorgeworfenen WAS und dem vermuteten WER erklären. Der Intervenierende muss dem Opfer mitteilen, dass er oder sie nicht im Fehler ist, obwohl das Opfer nicht „nein“ gesagt hat, nicht gekämpft hat, nichts verraten hat, mit Sex angefangen hat, oder ihn sogar genoss. Wenn das Opfer soweit ist, zu glauben, dass der Intervenierende versteht, was es erfahren hat, wird es eher sprechen. Opfer enthüllen die Details oft nach und nach, und prüfen dabei, wie weit der Intervenierende reagiert. Der Intervenierende muss Szenarien, die das Gesicht zu wahren helfen, erkennen und sie manchmal dem Opfer sogar erlauben, wenn es die Viktimisierung offenlegt.«
»Wie dargelegt mögen solche Opfer behaupten, dass sie verwirrt waren, ausgetrickst wurden, im Schlaf waren, unter Drogen standen oder gefesselt waren, wenn sie es nicht waren. Adoleszente, die spezielle Herausforderungen an den Interviewer stellen, setzen solche Gesichts-wahrenden Kunstgriffe am häufigsten ein. Der Intervenierende muss die Tatsache akzeptieren, dass sogar dann, wenn ein Opfer sich offenbart, die Information wahrscheinlich unvollständig ist, und seine oder ihre Verwicklung und Taten heruntergespielt werden. Einige dieser Opfer glauben ganz einfach nicht, dass sie Opfer waren. Ohne zwingende spezielle Notwendigkeit sollte das Interview mit einem möglicherweise von einem Bekannten verführten Kind nie in der Anwesenheit der Eltern geführt werden. Die Gegenwart der Eltern erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Kind ganz einfach leugnet, oder dass es die sozial und für die Eltern akzeptable Version der Viktimisierung geben wird.«
»Das trifft speziell für jüngere Opfer zu. Wenn anzunehmen ist, dass eine genauere Offenlegung einer willigen Viktimisierung noch kommen könnte, so ist die Frage, ob, wann und wie die Eltern beraten werden sollen, ein komplexes Thema für Intervenierende. Einige Opfer von Kindesausbeutungsfällen durch Bekannte enthüllen unvollständig und halten die Informationen über die sexuellen Aktivitäten gering, so dass sie durch weitere Ermittlungen widerlegt werden. Dies ruft bedeutende Problem für die Ermittlung und Verfolgung solcher Fälle hervor. Wenn zum Beispiel ein Ermittler ein Opfer endlich dazu bringt, seinen Missbrauch offenzulegen, legt das Opfer eine Version seiner Viktimisierung vor, von der es schwört, dass sie wahr ist. Darauf folgende Ermittlungen bringen dann zusätzliche Opfer an den Tag, sowie vielleicht Kinderpornografie, oder computer-chat-logs und andere records – die direkt in Konflikt stehen zur ersten vom Kind erzählten Geschichte. Ein gewöhnliches Beispiel dafür ist, dass das Opfer zugibt, dass der Täter seinen Penis saugte, aber leugnet, dass es auch den Penis des Täters saugte. Die Ausführung eines Durchsuchungsbefehls führt dann zur Ergreifung von Fotografien, die das Opfer beim Saugen des Penis des Täters zeigen. Einige Opfer fahren fort, die Aktivitäten zu leugnen, auch wenn sie mit den Bildern konfrontiert werden. Weitere Opfer mögen das bestätigen, dann aber lügen, wenn sie heftig abstreiten, dass sie dasselbe getan haben.«
»Das Opfer kann Sex einsetzen, um den Täter zu manipulieren…«
»Die Anschuldigungen multipler Opfer widersprechen einander oft. Jedes Opfer versucht, sein Verhalten zu minimisieren und das der anderen Opfer zu maximieren. Heutzutage müssen Ermittler speziell vorsichtig sein in Computerfällen, wo leicht aufgedeckte Chat logs, Aufzeichnungen von Kommunikationen, und Bilder den sozial akzeptablen Versionen von Vorfällen widersprechen, die das Opfer jetzt gibt. In meiner Erfahrung ist der hauptsächliche Grund, warum willige Kinderopfer diese falschen und irreführenden Details über ihre Viktimisierung liefern, ihre richtige Erkenntnis, dass die Gesellschaft die Realität ihrer Viktimisierung nicht verstehen oder akzeptieren wird. Dies geschieht so oft, dass verzerrte und variierende Details in solchen Fällen fast zur Bestätigung für die Validität der Viktimisierung werden.«
Können wir zu Schlüssen kommen?
»Der typische Adoleszente, vor allem ein Junge, ist leicht sexuell erregt, sexuell neugierig, sexuell unerfahren, und ein bisschen rebellisch. All die Eigenschaften machen zusammen den Adoleszenten zu einem der leichtesten Opfer für sexuelle Verführung. Es braucht fast nichts, einen adoleszenten Jungen sexuell erregt werden zu lassen. Ein adoleszenter Junge mit emotionalen und sexuellen Bedürfnissen ist schlicht kein Gegner für einen erfahrenen 50 Jährigen mit einem organisierten Plan. Diese erwachsenen Täter jedoch, die sie verführten, behaupten weiterhin, dass diese Opfer „konsentierten“. Das Resultat ist ein Opfer, welches sich verantwortlich fühlt für das, was geschah und verlegen ist über diese Handlungen. Wenn ein Opfer einmal verführt ist, wird jeder weitere sexuelle Vorfall leichter und schneller geschehen. Mit der Zeit mag das Opfer sogar die Initiative ergreifen in der Verführung. Einige Opfer kommen soweit zu realisieren, dass der Täter ein grösseres Bedürfnis nach Sex hat als sie, und das gibt ihnen den grösseren Hebel gegen den Täter. Das Opfer kann Sex einsetzen, um den Täter zu manipulieren, oder vorübergehend Sex zurückhalten, bis es bekommt, was es will. Einige Opfer erpressen den Täter, vor allem wenn er verheiratet ist oder eine wichtige Stellung in der Gemeinde hat. Obwohl sich all dies unangenehm und inkonsistent verhält zu unserer idealistischen Sicht von Kindern, wenn Erwachsene und Kinder „konsensualen“ Sex haben, ist immer der Erwachsene der Täter, und das Kind ist immer das Opfer. Konsens sollte nur für erwachsene Opfer eine Angelegenheit sein.«
[…]
»Mit der Realität des willigen Kindes setzen sich in den Vereinigten Staaten täglich Ermittler, Verfolger (Staatsanwälte), Richter, Juroren und andere auseinander. Einige Professionelle sind der Meinung, dass man mit dieser Kontroverse am besten dadurch fertig wird, dass man offen behauptet, dass sie in Wirklichkeit nicht existiere. Sie glauben, dass es schädlich wäre für die kindlichen Opfer, wenn dies explizit zugegeben oder darüber diskutiert wird. Sicher wären viele gegen den Gebrauch von Begriffen oder Labels wie compliant child victim. Ich glaube jedoch dass diese Realität offen anerkannt, diskutiert und adressiert werden muss. Ich bin zur Erkenntnis gelangt, dass der beste Weg, mit diesem Problem umzugehen, der ist, die unrealistischen Erwartungen der Leute über sexuelle Viktimisierung von Kindern zu ändern, nicht sie zu schüren.«
»Präventionsprogramme, welche die Realität … verzerren,
so dass die Kinder … lügen müssen… «
»In dieser Diskussion habe ich mich vor allem auf Probleme konzentriert, welche willige Kinder für das Kriminal-Justizsystem darstellen (das heisst: Leugnungen, verzögerte Offenlegung, unvollständige und inakkurate Details, unrealistische Erwartungen, usw.). Ich glaube jedoch, dass Opfer auch beträchtliche Problem und Herausforderungen für Therapeuten, Ärzte, Sozialarbeiter und andere Professionelle bedeuten. Problembewusstsein und Vorbeugeprogramme, welche auf das Erkennen von bösen „Sexualverbrechern“ (predators) und „Pädophile“ fokussieren, und den Opfern den Rat geben wollen, „sag nein, schreie und rede,“ sind zwar nicht unwirksam in der Prävention von williger Viktimisierung, aber sie machen das Problem schlimmer. Solche Programme lassen es unwahrscheinlich werden, dass Opfer sich anvertrauen, und sie erhöhen die Scham und die Schuldgefühle solcher Opfer. In fast jedem Fall, in den ein williges Kind involviert war, mussten wirkliche Opfer verschiedene Aspekte ihrer Viktimisierung in Äusserungen gegenüber Eltern, Ermittlern, Therapeuten, Ärzten, Rechtsanwälten und dem Gericht verzerrt darstellen. Jedes weitere Statement verlangt dann oft noch stärkere Verzerrungen, um die vorangegangenen zu verteidigen. Was sind die emotionalen und psychologischen Langzeitwirkungen für Kindesopfer, die Präventions- und Bewusstmachungsprogrammen ausgesetzt werden, welche die Realität ihrer Viktimisierung zu leugnen scheinen oder sie verzerren und falsch darstellen – so dass die Kinder über das lügen müssen, was ihnen wirklich geschah, damit es als „wirkliche“ Viktimisierung anerkannt wird?«
»Ratschläge, um der sexuellen Ausbeutung von Kindern durch erwachsene Bekannte vorzubeugen, sind sehr komplex und schwierig umzusetzen. Kinder unter 12 Jahren neigen dazu, dem Rat zuzuhören, aber sie verstehen ihn oft nicht. Kinder über 12 Jahre verstehen ihn eher, hören aber oft nicht mehr zu. Wie wollen Sie Kinder vor Tätern warnen, die ihre Lehrer, Trainer, Geistlichen, Nachbarn, oder Internet-“Freunde“ sein können, und deren einzige Unterscheidungsmerkmale darin bestehen, dass sie die Kinder besser behandeln, als die meisten Erwachsenen, ihnen besser bei ihren Problemen und Sorgen zuhören, und ihre emotionalen, körperlichen und sexuellen Bedürfnisse erfüllen? Werden Eltern, Gesellschaft und Professionelle verstehen, wenn die Viktimisierung entdeckt oder offengelegt wird? Mancher Präventions-Ratschlag unterscheidet ganz einfach nicht, auf welchem Typ von sexueller Viktimisierung er sich bezieht. Das Recht „nein“ zu sagen und „gute Berührung/schlechte Berührung“ (zu unterscheiden) wären unterschiedlich anzuwenden auf einen Fremden, auf Eltern, Lehrer, Arzt oder einen Internet-Bekannten.«
»Kinder lernen in frühem Alter ihre Umwelt zu manipulieren, um zu bekommen, was sie wollen. Fast alle Kinder suchen Aufmerksamkeit und Zuwendung. Kinder, vor allem Adoleszente, sind oft interessiert an und neugierig auf Sexualität und sexuell explizites Material. In der heutigen Welt werden sie manchmal ihren Computer und Online Zugang benutzen, um aktiv nach solchem Material zu suchen. Im typischen Fall finden sie Pornografie online, weil sie danach suchen, nicht weil ihnen ein Fehler unterlaufen ist. Sie bewegen sich von der totalen Kontrolle der Eltern fort und versuchen neue Beziehungen ausserhalb der Familie aufzubauen. Frage irgend einen Erwachsenen, was das Nummer eins Zeugs in ihrem Kopf war, als sie Adoleszente waren, und die Antwort ist immer dieselbe: Sex. Die Eltern wollen jedoch glauben, dass ihre Kinder asexuell seien, und Kinder, vermute ich, wollen glauben, dass ihre Eltern asexuell seien.«
»Präventionsratschläge, die das nicht zur Kenntnis nehmen, sind dazu verurteilt, fehl zu schlagen. Trotzdem: Präventionsmaterial, welches von der Online-Sicherheit der Kinder handelt, warnt immer wieder nur davor, mit Fremden zu reden, und rät den Kindern, ihren Eltern mitzuteilen, wenn sie sich durch jemand, dem sie online begegnen, unwohl fühlen. Ist es realistisch oder sogar zutreffend, es so zusehen, dass jemand, mit dem man über Wochen und Monate regelmässig kommuniziert, ein Fremder ist, nur weil man ihm noch nicht persönlich begegnet ist? In den meisten Fällen, wo ein Adoleszenter das Haus verliess, um sich persönlich mit einem Erwachsenen zu treffen, dem er zuerst online begegnet war, tat er das willentlich, in der Hoffnung, Sex zu haben (und nicht, um Hilfe bei den Hausaufgaben zu finden) mit jemandem, von dem sie das Gefühl hatten, dass sie ihn kannten, und der sich um sie kümmerte. Unrealistische Ratschläge, den Computer in der Mitte des Wohnzimmers aufzustellen oder blockierende Software zu benutzen, wird wenig Effekt auf Kinder haben, die entschlossen sind, die Anstrengungen ihrer Eltern zu überwinden. Wie wollen Sie etwas verhindern, das Eltern und Gesellschaft nicht wollen, aber das Kind will es? Anhaltende, liebevolle Kommunikation zeigt wahrscheinlich mehr Wirkung als Check-off Listen und Software. Heimliche Überwachung der Computeraktivitäten des Kindes sind etwas, was die Eltern selber zu entscheiden haben werden, basierend auf Kenntnissen von sich selber und ihrer Kinder.«
Zusammenfassung
»In manchen Fällen mag das Erkennen, Verstehen und Dokumentieren der Verhaltensmuster williger Kinder nicht speziell die Schuld eines angeschuldigten Täters beweisen, aber es kann helfen, die Unschuldsbehauptung zu widerlegen. Zusätzlich zu geeigneten Reaktionen bei der Ermittlung sind innovative und sensible Strategien der Prävention und therapeutische Herangehensweisen zu entwickeln und einzuführen, welche die Realitäten der willigen Kindesopfer zur Kenntnis nehmen.« [leicht gekürzt, übersetzt durch montebas. Bitte bei Kopien angeben: montebas.blog]
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*) Compliant Child Victims:
Confronting an Uncomfortable Reality.
by Kenneth V. Lanning
(CAC Consultants)
(FBI, Retired)
Download (Original PDF in Englisch):
REPRINT: Published as Chapter 4
in: Ethel Quayle & Max Taylor, Viewing Child Pornography on the Internet.
(2005) Russell House Publishing https://www.amazon.com/-/de/dp/1903855691/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=18FK1BL1YKZRM&keywords=Viewing+Child+Pornography+on+the+Internet&qid=1681755533&sprefix=viewing+child+pornography+on+the+internet%2Caps%2C156&sr=8-1
In diesen Beiträge kannst Du Beispiele für Lannings Ausführungen erkennen:
The Traunreut Man – or: the case of the JM Girl.
Meine unangemessene Beziehung: Ich war 12 und er war mein 20 Jahre alter ‚Camp Betreuer‘.
Er war 25, sie 12 und seine Stieftochter. Längst sind sie verheiratet.
„Das Mädchen liebt den Mann immer noch – und leidet furchtbar.“
„Die Reaktion der Kinder auf sexuelle Beziehungen mit Erwachsenen“ *
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