Verführerische Kindermädchen und der Kampf gegen die Masturbation.

Wien um 1900 und die süssen Versuchungen des Orient.

Untenstehendes Referat hielt ein Wiener Psychiater um 1903 vor seinen Fachkollegen. Es ging um das „vorzeitige Erwachen des Sexualtriebs“. Der Arzt hatte zwei solche Fälle in seiner Praxis, wovon der eine einen kleinen Jungen mit Wasserkopf betraf, der andere hingegen ein normal entwickeltes Mädchen – oder eines, das sich normal entwickelt hätte, wäre da nicht…

 

[Erster Fall]

Zweiter Fall:

»Aber ich glaube, dass ein [solches] vorzeitiges Erwachen des Triebes auch bei einem intellektuell ungeschädigten, also sozusagen viel wertvolleren [autsch! damals unter Akademikern eine gängige Einteilung von Menschen; mb.] Individuum vorkommen kann, und dass man dann sehr wohl gezwungen sein kann, die Masturbation mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen. Als Beleg hierfür möchte ich Ihnen ein zweites Kind vorstellen, welches jetzt 5 3/4 Jahre alt ist und in dessen kurzer vita ante acta [Leben bevor es zum Arzt kam; mb.] merkwürdige Details verzeichnet sind.«

»Auch dieses Kind entstammt als erstes einer mehrjährigen Ehe. Es werden ebenfalls keine direkten Belastungsmomente zugegeben, aber die Mutter, welche ich kenne, ist eine hochgradig nervöse, man könnte fast sagen, hysterische Person und ist ihrer Abstammung nach Orientalin. Das Kind ist normal geboren, hat sich normal entwickelt und wurde den Eltern erst vor zwei Jahren, also als es 3 1/2 bis 3 3/4 Jahre alt war, auffällig. Es begann abzumagern, veränderte seine bis dahin gutmütige Stimmung, wurde zornig, reizbar, mürrisch und eines Tages bei Masturbation angetroffen. Doch legten die Eltern der Sache kein Gewicht bei, meinten, dem Kinde mit einer Strafe beizukommen und erzählten nicht einmal den Aerzten, die sie wegen des schlechten Aussehens der Kleinen konsultierten, was sie einmal beobachtet haben. Das Kind bekam allerhand Roborantien [Aufbaupräparate, Kräftigungsmittel; mb.], äussere und innerliche, sah aber immer sehr schlecht aus.«

»Vor einem Jahr ungefähr änderte sich aber die Sachlage und die Eltern wurden in unliebsamer Weise gezwungen, der Masturbation des Kindes näher nachzugehen. Eine fremde Person teilte nämlich der Mutter mit, dass sie das Kind an einem öffentlichen Kinderspielplatz beobachtet habe, als es den Versuch machte, ein erwachsenes Mädchen ad genitalia zu betasten und, als es von dieser zurechtgewiesen wurde, öffentlich masturbierte. Die Eltern nahmen nun das Kindermädchen ins Verhör und als die Mutter vor zirka zwei Monaten mich des Kindes wegen um Rat fragte, erfuhr ich von Mutter und Kind folgende schreckliche Sachen:

»Das Kind wurde im Alter von zwei Jahren einem neunzehn Jahre alten Kindermädchen zur Obhut übergeben, und war demselben über zwei Jahre lang sozusagen ausgeliefert. Diese Person, deren Ermittlung mir nicht gelang, und von welcher ich nichts weiss, als dass sie A. hiess, hat mit dem Kind von seinem zweiten bis vierten Lebensjahr mutuelle Manustupration [alter Ausdruck für Masturbation. Der Autor verwendet beide Ausdrück nebeneinander; mb.] getrieben. Sie veranlasste dasselbe, mit den Fingern in ihren Genitalien [gemeint dürfte hier sein: in den Genitalien des Kindermädchens; mb.] zu wühlen und – vielleicht war das Scheusal pädophil – masturbierte, während sie das Kind manustuprierte. Sie ging aber noch weiter und führte dem Kind, wo sie konnte, willige Spielkameradinnen und erwachsene Personen weiblichen Geschlechtes zu. Sie versuchte es auch mit einem vierjährigen Knaben, den sie in Gegenwart der Kleinen manustuprierte. So gerne die Kleine aber mit weiblichen Personen zu allem zu haben war, fand sie an Knaben keinen Gefallen und erklärte, da nicht mitzutun. Dann bekam das arme Kind Belehrungen über Zuhilfenahme von Federkielen und anderen Gegenständen und wurde dressiert, die Finger zur Erhöhung des Genusses mit klebrigen Stoffen zu bestreichen, Die Eltern wussten nichts besseres, als die Verführerin davonzujagen und suchten dem Kind, welches zu masturbieren fortfuhr, mit Strafen, Einwickelungen etc. beizukommen.«

»Als das aber alles nicht half, schickten sie die Kleine zu Verwandten nach dem Orient. Das setzte nun allem die Krone auf. Es fanden sich reichlich türkische Dienerinnen, die sich von dem Kinde manustuprieren liessen und ihm ein gleiches erwiesen. Die Kleine erzählte mir von allen ihren „Verhältnissen“ und dass sie nur an „Jungen“ [jungen Frauen] Geschmack fände; die Alten hätten Brüste wie Säcke, die schönsten Brüste habe die A. gehabt, sie waren wie Orangen; und überhaupt könne sie die A. nicht vergessen. Das alles bestätigen die Eltern. Als das Kind zurückkam, liess es sich durch keine Strafe, keine Drohung mehr abhalten, auch vor den Eltern und vor Freunden offen und insgeheim zu onanieren. Sie geriet dabei oft in einen wahren Paroxysmus [starke Steigerung, Anfall; mb.] von Wut und Verzweiflung darüber, dass sie ihre A. nicht mehr habe, nach der sie oft Tag und Nacht schrie und weinte.«

»So wurde mir das kleine Wesen zugebracht. Ich fand das Kind zum Skelett abgemagert, von blauen Flecken besät und fand, als ich es entkleidete, einen erschreckenden Fluor albus [Weissfluss; mb.]. Ich färbte sofort ein Präparat, und da ich zum Glücke keine Gonokokken fand, entschloss ich mich, den Katarrh als einen traumatischen sich selbst zu überlassen, da ich jede künftige Indagation [Erforschung] dieser Gegend vermeiden wollte. Er ist auch bald abgeheilt. Das Aussehen des Kindes war ein derartiges, dass ich kaum glauben konnte, dass kein tieferes organisches Leiden vorliege. Das psychische Verhalten des Kindes war durch die Offenheit, mit welcher es seine Abenteuer und seine Vertrautheit mit den Tiefen und Abgründen sexueller Perversionen und normaler sexueller Funktionen aufdeckte, sowie durch den absoluten Mangel eines Schamgefühls für mich Entsetzen erregend.«

»Um nicht weitschweifig zu werden, berichte ich kurz, dass ich die Übergabe der Kleinen in die Hände eines bewährten Pädagogen, und zwar noch selben Tages erzwang, und liess es nach Grinzing in die Anstalt des Herrn Dr. Heller bringen. Zugleich unternahm ich einen energischen Suggestionsversuch, der auch zufriedenstellend gelang. Ich habe die Suggestivbehandlung seither ein- bis zweimal wöchentlich wiederholt. Ich kann nicht behaupten, dass das Kind in Hypnose gerät, aber während der zweifellos vorhandenen Sammlung, psychischen Konzentration, etwa in leichtem Engourdissement [Erstarren, Betäubung; mb.] gebe ich der Kleinen energische Suggestionen dahin, dass es alles Vorgefallene vergessen müsse, nie mehr so abscheuliche Sachen denken dürfe etc.«

»Zweimal wurde das Kind bei Onanie angetroffen, und zwar kurz nach seinem Eintritt in die Anstalt. Eine zweite öftere Ausübung ist ausgeschlossen, da die Einrichtungen der Anstalt diesbezüglich mustergültig sind. [Vermutlich hat man dem Kind die Arme am Bettrahmen festgebunden, bzw. sie tagsüber hochgebunden. Solche Methoden wurden im 19. Jh. auch von den Eltern ausgeübt, da man schlimme körperliche und charakterliche Folgen befürchtete; mb. ] Auch dokumentiert das Aufblühen des Kindes die Sicherheit in dieser Beziehung.«

»Es ist heute nicht mehr zu erkennen und jede Erinnerung an die Vergangenheit, sogar der Besuch der Eltern wird sorgfältig vermieden. Ich gebe mich somit der Hoffnung hin, dass, wenn die Eltern vernünftig bleiben und das Kind in der Anstalt belassen, der Zweck erreicht werden wird, d.h. das Kind seine Vergangenheit vergisst. Dass für seine geistige und körperliche Entwicklung weiter alles nötige geschieht, hebe ich nicht des weiteren hervor. Ich schätze die Dauer des Fernbleibens von zu Hause auf Jahre [und das nur zur Verhinderung von Masturbation! mb.], wenn anders der Erfolg ein bleibender sein soll.«

»… Ich gestatte mir (nur) eine Bemerkung: Aus der Anamnese des Kindes sieht man die Bedeutung der Verführung im Kindesalter für die Determinierung, für die Richtunggebung des Sexualtriebes [„Richtung“ = hetero- oder homosexuell; mb.]. Das Kind kann möglicherweise durch Einfluss der Verführerin für immer in die konträre Richtung geleitet worden sein [das heisst: lesbisch geworden sein; mb.]. Wenn es auch gelingen wird, den vorzeitig geweckten Trieb zu redressieren, im Pubertätsalter können [trotzdem] Bruchstücke der Erinnerung lebendig werden und das Kind, welches sich voraussichtlich normal zum Weibe entwickeln wird, wieder dort anknüpfen, wo es heute aufgehört hat. Dann kann man vor dem Rätsel konträrer [=homosexueller] Sexualempfindung ohne sekundäre somatische Begleiterscheinungen stehen. [Letzteres ist für mich ein obskurer Satz. Er bedeutet wohl, dass nach damaligem Stand des Wissens – oder der Theorie – die lesbische Orientierung von körperlichen Merkmalen begleitet war – männliche Merkmale im Körperbau? mb.

»Ich habe nicht die Absicht, diesen Dingen hier näher nachzugehen und habe mir nur erlaubt, die beiden Fälle vorzustellen, weil sie, wie ich glaube, neben theoretischem auch praktisches Interesse besitzen.«

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P.S. Die Herangehensweise der Psychiatrie änderte sich dann gut 30 Jahre später ziemlich radikal. Die New Yorker Kinderpsychiaterin Bender beschreibt, wie in ihrer Klinik einige Mädchen vor anderen Kindern zu masturbieren pflegten. Bei einigen legte sich dieses Bedürfnis, andere gaben an, nach ihrer Entlassung die Kontakte mit Erwachsenen wieder aufnehmen zu wollen. Siehe:

„Die Reaktion der Kinder auf sexuelle Beziehungen mit Erwachsenen“ *

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Quelle:

Zwei Fälle von sexueller Paradoxie.

Dr. Alfred Fuchs, Assistent der k.k. II. Universitätsklinik für Psychiatrie und Nervenkrankheiten. (Wien.)

JAHRBUECHER für PSYCHIATRIE und NEUROLOGIE. Hrsg. Verein für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 23.Band. 1903. 207-213.

 

tags: Masturbation bei kleinen Mädchen, toddler; Erregung, Verführung durch Frauen (Kindermädchen und andere) in früheren Jahrhunderten/anderen Kulturen; gegenseitige Masturbation Frau – kleines Mädchen; „Pedomom“; pädophile Lesben, lesbische Beeinflussung/Sozialisation/Konditionierung, Geschichte der Masturbation, Masturbation und Psychiatrie, Kampf der Psychiatrie gegen die Masturbation bei kleinen Mädchen, Kampf gegen Lesbentum/Lesbismus bei kleinen Mädchen, Theorien weiblicher Homosexualität -ihrer Entstehung und Bekämpfung,   

Comments

Eine Antwort zu „Verführerische Kindermädchen und der Kampf gegen die Masturbation.”.

  1. Avatar von kettelkannon1993

    wow!! 111SONYAGATE – oder: Das Ende von LoLand.

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